Unsere 13-jährige Tochter hatte gestern ihre mündliche Englischprüfung. Da sie in diesem Fach sonst sehr sicher ist, machte ich mir im Vorfeld keinerlei Sorgen. Doch als sie völlig verheult ins Auto stieg, spürte ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Auf meine Frage, ob sie die Prüfung vielleicht verhauen habe, was für uns nicht schlimm gewesen wäre, konnte sie zunächst kaum antworten. Nach ein paar weiteren bitteren Tränen erzählte sie mir, dass sie einen Teil der Prüfung gut gemeistert hatte, sich beim zweiten Teil jedoch unsicher fühlte. Ihre größte Angst war, dass sie in einen niedrigeren Kurs rutschen könnte.
Doch das, was sie wirklich tief getroffen hatte, war die Aussage ihres Lehrers:
„Von DIR hätte ich mehr erwartet.“
In mir stieg in diesem Moment eine enorme Wut auf. Ich musste mich wirklich beherrschen um nicht sofort in den Klassenraum zugehen. Zuhause sprachen wir erneut ruhig mit ihr darüber und wieder wurde deutlich: Nicht die Prüfung, sondern dieses eine Urteil tat ihr weh.
Mein Partner und ich waren uns einig: Eine solche Aussage ist völlig unangebracht. Besonders von jemandem, der pädagogisch arbeiten sollte. Erwartungen an Schüler zu richten und sie dann für dieses fremde Bild verantwortlich zu machen, das ist kein pädagogisches Handeln.
Wir erklärten ihr, dass dies die Erwartung des Lehrers sei und nicht ihre Aufgabe. Kein Kind ist dafür verantwortlich, das Idealbild eines Erwachsenen zu erfüllen.
Warum solche Aussagen so gefährlich sind
Gerade im Teenageralter, einer Zeit in der, Unsicherheiten, Selbstzweifel, Vergleiche und emotionale Achterbahnen an der Tagesordnung stehen, können Sätze wie diese, tiefe Spuren hinterlassen.
Jugendliche kämpfen oft mit Gedanken wie:
- „Ich bin nicht gut genug.“
- „Alle anderen sind besser als ich.“
- „Mit mir stimmt etwas nicht.“
Social Media verstärkt diese Gefühle zusätzlich. Das Alter zwischen 12 und 16 ist eines der sensibelsten überhaupt. Hier entsteht Identität oder sie bricht.
Wenn dann Erwachsene, die eigentlich stärken sollen, enttäuschte Erwartungen aussprechen, kann das genau die Wunde treffen, die Jugendliche ohnehin mit sich tragen.
Solche Momente sind oft der Ursprung für:
- Rückzug
- Angst
- Minderwertigkeitsgefühle
- Aggression
- oder Jahre später: eine Therapie
Ich selbst habe als Kind das Wort „enttäuscht“ gehasst. Es war mein lebenslanger Trigger. Und genau deshalb ist es mir heute so wichtig, solche Muster nicht weiterzugeben.
Kinder sind nicht hier, um Erwartungen zu erfüllen
Wir versuchen unserer Tochter beizubringen, dass sie gute Noten für sich selbst braucht, nicht für uns, nicht für die Lehrer und nicht für die Gesellschaft. Es ist ihre Zukunft. Sie darf selbst entscheiden, welche Ziele sie verfolgt und was sie dafür tun möchte. Unsere Aufgabe ist es, sie darin zu Bestärken.
Unsere Tochter ist für ihr Alter sehr reflektiert und weiß genau, was sie will. Umso schockierender war es zu erfahren, dass der Lehrer diese Aussage nicht nur ihr, sondern vielen Schülern gegenüber gemacht hatte.
Ich frage mich bis heute:
Ist das Frust? Unwissenheit? Mangel an Empathie?
Egal was es ist, es ist nicht akzeptabel.
Was Kinder wirklich brauchen: Emotionale Sicherheit statt Druck
Ein hoher IQ und ein guter Schulabschluss sind nicht das, was ein erfülltes Leben garantiert. Viel wichtiger ist:
- emotionale Intelligenz
- Selbstliebe
- Selbstvertrauen
- innere Stärke
- die Fähigkeit, für sich selbst loszugehen
Dafür brauchen Kinder Halt, Verbundenheit und eine wertschätzende Sprache. Sie brauchen Erwachsene, die Verantwortung für ihre eigenen Erwartungen übernehmen und nicht Kinder dafür verantwortlich machen.
Mein Appell an alle Eltern und Lehrkräfte
Bitte seid achtsam.
Wählt eure Worte mit Liebe.
Unterstützt eure Jugendlichen gerade dann, wenn sie selbst zweifeln.
Und vor allem: Erwartet nicht, dass Kinder eure Vorstellungen erfüllen.
Sie sind kleine Menschen auf der Suche nach sich selbst. Lasst uns diese Suche nicht durch harte Worte erschweren, sondern durch liebevolle Präsenz begleiten.
Namaste ♥ Selbstliebe4YOU
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