In den letzten Tagen ist in mir ein Thema besonders laut geworden: Erziehung.
Immer wieder begegnen mir Menschen, Situationen, kleine Momente und jedes Mal spüre ich,
wie ein leiser Gedanke in mir aufsteigt:
„Was geht in meinem Gegenüber vor? Warum ist dieser Mensch so, wie er ist?“
Und jedes Mal lande ich zuerst bei derselben Antwort:
„Es kommt aus dem Elternhaus.“
Ein Satz, den wir alle kennen.
Ein Satz, der vieles erklärt und gleichzeitig nichts endgültig festlegt.
Denn ja, unser Elternhaus prägt uns. Manchmal unendlich tief.
Aber:
Es nimmt uns nie die Verantwortung dafür, was wir daraus machen.
Wenn man im eigenen Hamsterrad gefangen ist.
Ich glaube, dass viele Menschen, eigentlich wir alle, nur unterschiedlich stark – irgendwann in einem
Muster stecken, das wir selbst nicht mehr sehen können.
Wenn man Jahre, vielleicht Jahrzehnte, in einer bestimmten Dynamik lebt, erscheint der Ausweg unsichtbar.
Und trotzdem bleibt er da.
Still.
Geduldig.
Auch für Kinder, die Gewalt erlebt haben – körperlich, psychisch oder beides.
Sie hatten damals keine Wahl.
Sie waren abhängig, ausgeliefert, gebunden.
Doch als Erwachsene entsteht ein Raum. Ein neuer, ein eigener.
Schmerzlich, anstrengend, voller Mut – aber möglich.
Wir können uns gegen diese Gewalt entscheiden.
Wir können anders werden, als das, was wir erfahren haben.
Ich weiß das, weil ich es selbst tun musste.
Was ist eigentlich schwerer?
Seit Tagen begleitet mich eine Frage, die ich so noch nie gestellt habe:
Ist es wirklich schwerer für Kinder mit Gewalterfahrung, einen anderen Weg einzuschlagen oder
für Kinder, die nie gelernt haben, auf eigenen Füßen zu stehen?
Es gibt Kinder, die mit 40 noch nicht frei sind.
Die Eltern entscheiden immer noch mit, lenken, beeinflussen, halten fest, manchmal aus „Liebe“,
manchmal aus Angst, manchmal aus Gewohnheit.
Und diese Form der Abhängigkeit kann genauso zerstörerisch sein wie Gewalt.
Nur stiller.
Leiser.
Unsichtbarer.
Meine eigene Geschichte und was sie mich gelehrt hat
Ich wurde weder sanft noch frei erzogen.
Ich kenne körperliche und psychische Gewalt.
Ich kenne das Gefühl, sich selbst schützen zu müssen, lange bevor man alt genug ist,
um zu verstehen, wovor überhaupt.
Ich habe gelernt, mich durchzusetzen.
Ich habe manipuliert, gesteuert, geplant – immer in dem Glauben, niemandem damit zu schaden. Es war mein Überlebenssystem.
Und ich habe meine sanfte Seite lange verdrängt, weil sie sich gefährlich angefühlt hat.
Zu verletzlich.
Zu offen.
Erst als Erwachsene habe ich gelernt, diese weiche Seite in mir wieder zuzulassen.
Sie nicht länger zu verstecken, sie leben zu lassen.
Und heute?
Heute bin ich dankbar, nicht tauschen zu müssen.
Nicht, weil meine Kindheit leicht war, sondern weil sie mich gelehrt hat, zu wachsen.
Es geht nicht darum, wer es „schwerer“ hatte.
Es ist kein Wettbewerb denn, jeder Schmerz ist real.
Ich glaube:
Unsere Erfahrungen sind nicht umsonst.
Sie dürfen uns helfen und eines Tages vielleicht auch anderen.
Auch Überbehütung kann verletzen
Ich habe erlebt, wie schädlich überbehütete Erziehung sein kann.
Wie Kinder, denen man nichts zutraut, zu Erwachsenen werden, die sich selbst nichts zutrauen. Die keine Chance bekommen, Erfahrungen zu machen, Fehler zu begehen, mutig zu sein.
Ich erinnere mich an Gespräche mit meiner ehemaligen Nachbarin - einer Helikopter - Mama durch und durch.
Ihre Kinder durften nichts.
Jede Idee wurde mit „Gefahren“ erstickt.
Jede Neugier mit Verboten.
Jeder Schritt mit Angst begleitet.
Diese Kinder wachsen mit Grenzen auf, die sie nie selbst gewählt haben.
In einer Welt, die kleiner ist, als sie sein müsste.
Jede Erziehung hat Licht und Schatten
Es gibt nicht die „perfekte Erziehung“.
Jedes Elternhaus trägt seine Herausforderungen, aber auch sein Potential.
Wichtig ist nur:
Was machen wir daraus?
Was geben wir weiter?
Welche Muster unterbrechen wir?
Unser Weg als Bonus-Eltern
Mit unserer 13-jährigen Tochter versuchen wir, genau das zu leben:
- klare Grenzen aber flexible Wege
- Vertrauen statt Kontrolle
- Raum für Wachstum statt Angst vor Fehlern
- Führung aber ohne Einengung
Sie darf ausprobieren.
Sie darf scheitern.
Sie darf lernen.
Wir möchten, dass sie spürt:
Du bist richtig. Du wirst geliebt. Du darfst sein.
Ich wünsche ihr, dass sie eines Tages selbstbewusst, stark und eigenständig durchs Leben geht
ohne Angst davor, sie selbst zu sein.
Das wünsche ich übrigens jedem Kind und jedem Erwachsenen.
Denn genau das ist die Basis für etwas, das oft vergessen wird:
Gemeinsamer Wachstum.
Es ist nicht immer leicht aber mit der Zeit wird es leichter
Erziehung ist kein gerader Weg.
Jede Situation will neu betrachtet werden.
Jeder Tag bringt neue Fragen.
Mit Übung, Offenheit und der Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren, entsteht etwas Wunderschönes:
Wertschätzung, statt Bewertung.
Verbindung, statt Angst.
Heilung, statt Wiederholungsschleifen.
Und vielleicht ist genau das die Aufgabe unserer Generation:
Nicht perfekt zu erziehen, sondern bewusster.
Freier.
Menschlicher.
Namaste ♥ Seelenliebe4YOU
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